Arthur Schopenhauer

2 Überprüft 2.1 Die Welt als Wille und Vorstellung 2.2 Parerga und Paralipomena 2.2.1 Teil I 2.2.2 Teil II 2.2.3 Aphorismen zur Lebensweisheit 2.3 Ueber den Willen in der Natur 2.4 Die beiden Grundprobleme der Ethik 2.4.1 Freiheit des Willens 2.4.2 Grundlagen der Moral 2.5 Andere


“Aber das Leben ist kurz und die Wahrheit wirkt ferner und lange: Sagen wir die Wahrheit.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Vorrede zur ersten Auflage


“Aber die Sprache um ein Wort ärmer machen heißt das Denken der Nation um einen Begriff ärmer machen.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum ersten Buch, zweite Hälfte, Kapitel 12


“Alle Befreiung, oder was man gemeinhin Glück nennt, ist eigentlich und wesentlich immer nur negativ und durchaus nie positiv.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Viertes Buch, § 58


“Alles im Leben giebt kund, daß das irdische Glück bestimmt ist, vereitelt oder als eine Illusion erkannt zu werden.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Kapitel 46


“Alles Urdenken geschieht in Bildern: darum ist die Phantasie ein so nothwendiges Werkzeug desselben, und werden phantasielose Köpfe nie etwas Großes leisten, – es sei denn in der Mathematik.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum ersten Buch, zweite Hälfte, Kapitel 7


“Aus jeder Seite von David Hume ist mehr zu lernen, als aus Hegels, Herbarts und Schleiermachers sämtlichen philosophischen Werken zusammengenommen.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum vierten Buch, Kapitel 46


“Bei keiner Sache hat man so sehr den Kern von der Schaale zu unterscheiden, wie beim Christentum.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum vierten Buch, Kapitel 48


“Das Leben, mit seinen stündlichen, täglichen, wöchentlichen und jährlichen, kleinen, größern und großen Widerwärtigkeiten, mit seinen getäuschten Hoffnungen und seinen alle Berechnung vereitelnden Unfällen, trägt so deutlich das Gepräge von etwas, das uns verleidet werden soll, daß es schwer zu begreifen ist, wie man dies hat verkennen können und sich überreden lassen, es sei da, um dankbar genossen zu werden, und der Mensch, um glücklich zu seyn.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Kapitel 46


“Das Talent gleicht dem Schützen, der ein Ziel trifft, welches die Uebrigen nicht erreichen können; das Genie dem, der eines trifft, bis zu welchem sie nicht ein Mal zu sehn vermögen” – Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Ergänzungen zum dritten Buch, Kapitel 31. Vom Genie zeno.org


“Denn, ich wiederhole es, alle Tugend, die irgendwie eines Lohnes wegen geübt wird, beruht auf klugen, methodischen, weitsehenden Egoismus.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Band 1, Anhang


“Der heimliche Prosaiker hingegen sucht zum Gedanken den Reim; der Pfuscher zum Reim den Gedanken.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum dritten Buch, Kapitel 37


“Der Lebenslauf des Menschen besteht darin, dass er, von der Hoffnung genarrt, dem Tod in die Arme tanzt.” – Die Welt als Wille und Vorstellung


“Die Wahrheit ist keine Hure, die sich Denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr Alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß seyn darf.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Erster Band, Vorrede zur ersten Auflage


“Eine Allegorie ist ein Kunstwerk, welches etwas Anderes bedeutet, als es darstellt.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Drittes Buch, § 50


“Eine gefasste Hypothese gibt uns Luchsaugen für alles sie Bestätigende, und macht uns blind für alles ihr Widersprechende.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum zweiten Buch, Kapitel 19


“Er Kant hat aus der Philosophie den Theismus eliminiert, da in ihr, als einer Wissenschaft, und nicht Glaubenslehre, nur Das eine Stelle finden kann, was entweder empirisch gegeben, oder durch haltbare Beweise festgestellt ist.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Band 1, Anhang


“In jedem Mikrokosmos liegt der ganze Makrokosmos, und dieser enthält nichts mehr als jener.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum dritten Buch, Kapitel 38


“Was dem Herzen widerstrebt, läßt der Kopf nicht ein.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum zweiten Buch, Kapitel 19


“Zur Philosophie verhält sich die Poesie, wie die Erfahrung sich zur empirischen Wissenschaft verhält.” – Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum dritten Buch, Kapitel 37


“Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott, sondern bloß ein missbrauchtes Wort, ein Unbegriff, eine contradictio in adjecto, ein Schiboleth für Philosophieprofessoren, welche, nachdem sie die Sache haben aufgeben müssen, mit dem Worte durchzuschleichen bemüht sind.” – Parerga und Paralipomena I, Fragmente zur Geschichte der Philosophie, § 13 Noch einige Erläuterungen zur Kantischen Philosophie


“Es gibt nur eine Heilkraft, und das ist die Natur; in Salben und Pillen steckt keine. Höchstens können sie der Heilkraft der Natur einen Wink geben, wo etwas für sie zu tun ist.” – Neue Paralipomena


“Der Arzt sieht den Menschen in seiner ganzen Schwäche, der Advokat in seiner ganzen Schlechtigkeit und der Priester in seiner ganzen Dummheit.” – Parerga und Paralipomena, Psychologische Bemerkungen, 357


“Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.” – Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit, Von dem was einer vorstellt. pp. 360


“Was nun andererseits die Menschen gesellig macht ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit, und in dieser sich selbst, zu ertragen.” – Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit, Kapitel 5, Punkt 9


“Dem intellektuell hochstehenden Menschen gewährt nämlich die Einsamkeit einen zweifachen Vortheil: erstlich den, mit sich selber zu seyn, und zweitens den, nicht mit Anderen zu seyn.” – Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit, Kapitel 5, Punkt 9, books.google.de


“Zorn oder Haß in Worten, oder Mienen blicken zu lassen ist unnütz, ist gefährlich, ist unklug, ist lächerlich, ist gemein.” – Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit, Kapitel 5, Punkt 45


“Was aber die Leute gemeiniglich das Schicksal nennen sind meistens nur ihre eigenen dummen Streiche.” – Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit, Kapitel 5, Punkt 52, books.google.de


“Alles wirkliche Dichten und Denken nämlich ist gewissermaaßen ein Versuch, den kleinen Leuten einen großen Kopf aufzusetzen: kein Wunder, daß er nicht gleich gelingt.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 1, § 48


“Jede menschliche Vollkommenheit ist einem Fehler verwandt, in welchen überzugehen sie droht; jedoch auch umgekehrt, jeder Fehler, einer Vollkommenheit.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 8, § 113


“Denn die Moral mittels des Theismus stützen, heißt sie auf Egoismus zurückführen; obgleich die Engländer, wie auch bei uns die untersten Klassen der Gesellschaft, gar nicht die Möglichkeit einer anderen Begründung absehen.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 8, § 115


“Denn bei mir findet, in England, der rothe Rock mehr Glauben, als der schwarze, und Alles, was daselbst zu Gunsten der Kirche, dieser so reichen und bequemen Versorgungsanstalt der mittellosen jüngern Söhne der gesammten Aristokratie gesagt wird ist mir eo ipso verdächtig.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 8, § 115


“Ein eigenthümlicher Fehler der Deutschen ist, daß sie, was vor ihren Füßen liegt, in den Wolken suchen.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 9, § 120


“Wird nämlich das Unrecht von Einer Seite herausgeworfen, so schleicht es sich von der andern wieder herein; weil eben die Unrechtlichkeit tief im menschlichen Wesen liegt.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 9, § 127


“Aber so ein Gott Jehova, der animi causa und de gaieté de coeur diese Welt der Noth und des Jammers hervorbringt und dann noch gar sich selber Beifall klatscht, mit πάντα καλά λίαν, – Das ist nicht zu ertragen.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 12 (Nachträge zur Lehre vom Leiden der Welt), § 156


“Alles, was im Christentum Wahres findet, findet sich auch im Brahmanismus und Buddhismus.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 15, § 179


“Man möchte wahrlich sagen: die Menschen sind die Teufel der Erde, und die Tiere die geplagten Seelen.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 15, Ueber Religion. § 179: Ueber das Christentum https://books.google.de/books?id=EZXPecvrM9sC&&pg=PA55


“Der Grundunterschied der Religionen liegt darin, ob sie Optimismus oder Pessimismus sind; keineswegs darin, ob Monotheismus, Polytheismus, Trimurti, Dreieinigkeit, Pantheismus, oder Atheismus (wie der Buddhismus).” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 15, § 181


“Das Christentum ist eine Allegorie, die einen wahren Gedanken abbildet; aber nicht ist die Allegorie an sich selbst das Wahre.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 15, § 181


“Entweder glauben oder philosophiren! was man erwählt sei man ganz.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 15, § 181


“Die Fabel von der Pandora ist mir von jeher nicht klar gewesen, ja, ungereimt und verkehrt vorgekommen.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 18, § 200


“Unter den Dichtern unserer Zeit ist Göthe der objektivste, Bryon der subjektivste.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 19, § 230


“Wie schlecht würde es also um das menschliche Wissen stehn, wenn Schrift und Druck nicht wären! Daher sind die Bibliotheken allein das sichere und bleibende Gedächtnis des menschlichen Geschlechts.” – Parerga und Paralipomena II, § 254


“Die Barberei kommt wieder, trotz Eisenbahnen, elektrischen Drähten und Luftballons.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 21, § 256


“Unwissenheit degradirt den Menschen erst dann, wann sie in Gesellschaft des Reichthums angetroffen wird.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 24, § 290


“Die Konsonanten sind das Sklett und die Vokale das Fleisch der Wörter.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 25, § 303


“Hoffnung ist die Verwechselung des Wunsches einer Begebenheit mit ihrer Wahrscheinlichkeit.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 26, § 313


“Aller Eigensinn beruht darauf, daß der Wille sich an die Stelle der Erkenntniß gedrängt hat.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 26, § 321


“Es gibt keine Absurdität, die so handgreiflich wäre, daß man sie nicht allen Menschen fest in den Kopf setzen könnte, wenn man nur schon vor ihrem sechsten Jahre, anfienge, sie ihnen einzuprägen, indem man unablässig und mit feierlichstem Ernst sie ihnen vorsagte.” – Parerga und Paralipomena II, Kapitel 26, § 344


“Aber, im Ganzen genommen, liegt, wie längst gesagt ist, die Welt im Argen: die Wilden fressen einander und die Zahmen betrügen einander, und Das nennet man den Lauf der Welt.” – Aphorismen zur Lebensweisheit – Paränesen und Maximen


“Alle Dinge sind herrlich zu SEHN, aber schrecklich zu SEYN.” – Aphorismen zur Lebensweisheit – Vom Unterschiede der Lebensalter


“Die Erinnerung wirkt wie das Sammlungsglas in der Camera obscura: Sie zieht alles zusammen und bringt dadurch ein viel schöneres Bild hervor, als sein Original ist.” – Aphorismen zur Lebensweisheit


“Durch nichts entziehen wir uns so sehr dem Zwange von außen wie durch Selbstzwang.” – Aphorismen zur Lebensweisheit (Zitat nach Seneca)


“Gerade in Kleinigkeiten, als bei welchen der Mensch sich nicht zusammennimmt, zeigt er seinen Charakter.” – Aphorismen zur Lebensweisheit


“Im allgemeinen freilich haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, d.h. die unermessliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegenteil getan; und so wird es denn auch ferner bleiben.” – Aphorismen zur Lebensweisheit


“Ja, es sei herausgesagt: so eng auch Freundschaft, Liebe und Ehe Menschen verbinden; ganz ehrlich meint jeder es am Ende doch nur mit sich selbst und höchstens noch mit seinem Kinde. – Je weniger einer, in Folge objektiver oder subjektiver Bedingungen, nötig hat, mit den Menschen in Berührung zu kommen, desto besser ist er daran.” – Aphorismen zur Lebensweisheit


“Jede Nation spottet über die andere, und alle haben Recht.” – Aphorismen zur Lebensweisheit. Kapitel IV: Von Dem, was Einer vorstellt.


“Jeder steckt in seinem Bewusstsein wie in seiner Haut und lebt unmittelbar nur in demselben.” – Aphorismen zur Lebensweisheit


“Was nun andrerseits die Menschen gesellig macht, ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit und in dieser sich selbst zu ertragen.” – Aphorismen zur Lebensweisheit


“Zum Leitstern seiner Bestrebungen soll man nicht Bilder der Phantasie nehmen, sondern deutlich gedachte Begriffe.” – Aphorismen zur Lebensweisheit


“Da ergiebt sich, daß Moral-Predigen leicht, Moral-Begründen schwer ist.” – Willen in der Natur, Hinweisung auf die Ethik


“Die Willensfreiheit bedeutet, genau betrachtet, eine Existentia ohne Essentia, welches heißt, daß etwas sei und dabei doch nichts sei, welches wiederum heißt, nicht sei also ein Widerspruch ist.” – Freiheit des Willens, Der Wille vor dem Bewußtseyn anderer Dinge


“Sind einem gegebenen Menschen, unter gegebenen Umständen, zwei Handlungen möglich, oder nur Eine? – Antwort aller Tiefdenkenden: Nur Eine.” – Freiheit des Willens, Der Wille vor dem Bewußtseyn anderer Dinge


“Die Ethik ist in Wahrheit die leichteste aller Wissenschaften.” – Grundlagen der Moral, §18, Tugend der Menschenliebe


“Die vermeinte Rechtlosigkeit der Thiere, der Wahn, daß unser Handeln gegen sie ohne moralische Bedeutung sei, oder, wie es in der Sprache jener Moral heißt, daß es gegen Thiere keine Pflichten gebe, ist geradezu eine empörende Rohheit und Barberei des Occidents, deren Quelle im Judenthum liegt.” – Grundlage der Moral, §19, Bestätigung des dargelegten Fundaments der Moral


“Mitleid mit den Thieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, daß man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Thiere grausam ist, könne kein guter Mensch seyn.” – Grundlage der Moral, §19, Bestätigung des dargelegten Fundaments der Moral


“Der leitende Grundsatz der Stilistik sollte sein, dass der Mensch nur einen Gedanken zur Zeit deutlich denken kann; daher ihm nicht zugemutet werden darf, dass er deren mehrere auf einmal denke. Dies aber mutet ihm der zu, welcher solche, als Zwischensätze, in die Lücken einer Hauptperiode schiebt.” – Über Schriftstellerei und Stil


“Der Stil ist die Physiognomie des Geistes. Sie ist untrüglicher als die des Leibes. Affektation im Stil ist dem Gesichterschneiden zu vergleichen.” – Über Schriftstellerei und Stil


“Die, welche schwierige, dunkle, verflochtene, zweideutige Reden zusammensetzen, wissen ganz gewiss nicht recht, was sie sagen wollen, sondern haben nur ein dumpfes, nach einem Gedanken erst ringendes Bewusstsein davon; oft aber wollen sie sich selber und anderen verbergen, dass sie eigentlich nichts zu sagen haben.” – Über Schriftstellerei und Stil


“Schopenhauer, der letzte Deutsche, der in Betracht kommt der ein europäisches Ereigniss gleich Goethe, gleich Hegel, gleich Heinrich Heine ist, und nicht bloß ein lokales, ein “nationales”, ist für einen Psychologen ein Fall ersten Ranges: nämlich als bösartig genialer Versuch, zu Gunsten einer nihilistischen Gesamt-Abwertung des Lebens gerade die Gegen-Instanzen, die großen Selbstbejahungen des “Willens zum Leben”, die Exuberanz-Formen des Lebens in’s Feld zu führen.” – Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung, Streifzüge eines Unzeitgemäßen, 21.


Was Luther in der Kirche, ist Bako [Francis Bacon] in der Naturwissenschaft.


In Hinsicht auf die Schätzung der Größe eines Menschen gilt für die geistige das umgekehrte Gesetz der physischen: diese wird durch die Ferne verkleinert, jene vergrößert.


Eine Grobheit besiegt jedes Argument und eklipsiert allen Geist.


Hingegen hat jeder gewisse angeborene konkrete Grundsätze, die ihm in Blut und Saft stecken, indem sie das Resultat alles seines Denkens, Fühlens und Wollens sind.


Was einer an sich selber hat, ist zu seinem Lebensglücke das Wesentlichste.


Kinder bedürfen beständig des Zeitvertreibs, sei er Spiel oder Arbeit; stockt er, so ergreift sie augenblicklich entsetzliche Langeweile. Auch Jünglinge sind ihr noch sehr unterworfen und sehn mit Besorgnis auf unausgefüllte Stunden. lm männlichen Alter schwindet die Langeweile mehr und mehr: Greisen wird die Zeit stets zu kurz und die Tage fliegen pfeilschnell vorüber.


Es gibt nur drei Grundtriebfedern menschlicher Handlungen: Egoismus, der das eigene Wohl will, … Bosheit, die das fremde Wehe will … und die Kraft, welche das fremde Wohl will, und diese Kraft ist das Mitleid.


Es ist wirklich unglaublich, wie nichtssagend und bedeutungsleer, von außen gesehen, und wie dumpf und besinnungslos, von innen empfunden, das Leben der allermeisten Menschen dahinfließt. Es ist ein mattes Sehnen und Quälen, ein träumerisches Taumeln durch die vier Lebenalter hindurch zum Tode, unter Begleitung einer Reihe trivialer Gedanken.


Wer unter Menschen zu leben hat, darf keine Individualität, sofern sie doch einmal von der Natur gesetzt und gegeben ist, unbedingt verwerfen; auch nicht die schlechteste, erbärmlichste oder lächerlichste. Er hat sie vielmehr zu nehmen als ein Unabänderliches, welches, infolge eines ewigen und metaphysischen Prinzips, so sein muss, wie es ist, und in den argen Fällen soll er denken: »Es muss auch solche Käuze geben«. Hält er es anders, so tut er unrecht und fordert den andern heraus, zum Kriege auf Tod und Leben.


Eine schwere Aufgabe ist freilich die Höflichkeit insofern, als sie verlangt, dass wir allen Leuten die größte Achtung bezeugen, während die allermeisten keine verdienen; sodann, dass wir den lebhaftesten Anteil an ihnen simulieren, während wir froh sein müssen, keinen an ihnen zu haben.


Es gibt kein unfehlbareres Zeichen eines ganz schlechten Herzens und tiefer moralischer Nichtswürdigkeit, als ein Zug reiner, herzlicher Schadenfreude. Man soll den, an welchem man ihn wahrgenommen, auf immer meiden.


Und was die Weiber betrifft, so war ich diesen sehr gewogen – hätten sie mich nur haben wollen.


Das große Leiden aller Philister ist, dass Idealitäten ihnen keine Unterhaltung gewähren, sondern sie, um der Langeweile zu entgehen, stets der Realitäten bedürfen.


Jeder Irrtum muss früher oder später Schaden stiften, und desto größeren, je größer er war. Den individuellen Irrtum muss, wer ihn hegt, einmal büßen und oft teuer bezahlen: dasselbe wird im Großen von gemeinsamen Irrtümern ganzer Völker gelten.


Alle Verliebtheit, wie ätherisch sie sich auch gebärden mag, wurzelt allein im Geschlechtstriebe.


Da unser größtes Vergnügen darin besteht, bewundert zu werden, die Bewunderer aber, selbst wo alle Ursache wäre, sich ungern dazu herbeilassen, so ist der Glücklichste der, welcher, gleichviel wie, es dahin gebracht hat, sich selbst aufrichtig zu bewundern. Nur müssen die andern ihn nicht irre machen.


Was für eine schlaue Erschleichung und hinterlistige Insinuation in dem Wort Atheismus liegt! – als verstände der Theismus sich von selbst.


Der Wechsel allein ist das Beständige.


Schreibt ihr Plattheiten und Unsinn in die Welt, so viel es euch beliebt: das schadet nicht: denn es wird mit euch zu Grabe getragen; ja, schon vorher. Aber die Sprache laßt ungehudelt und unbesudelt: denn die bleibt.


Die Freunde nennen sich aufrichtig; die Feinde sind es: daher man ihren Tadel zur Selbsterkenntnis benutzen sollte, als eine bittere Arznei.


Höflichkeit [ist] dem Menschen, was die Wärme dem Wachs.


Die Wilden fressen einander, und die Zahmen betrügen einander, und das nennt man den Lauf der Welt.


Die Zeitungen sind der Sekundenzeiger der Geschichte. Derselbe ist meistens nicht nur von anderem Metalle als die beiden anderen, sondern geht auch selten richtig.


Ein geistreicher Mensch hat in gänzlicher Einsamkeit an seinen eigenen Gedanken und Phantasien vortreffliche Unterhaltung, während von einem Stumpfen die fortwährende Abwechslung von Gesellschaften, Schauspielen, Ausfahrten und Lustbarkeiten die marternde Langeweile nicht abzuwehren vermag.


Es gibt nur einen angeborenen Irrtum, und es ist der, daß wir da sind, um glücklich zu sein.


Unser ganzes Leben ist ein unausgesetzter Kampf mit Hindernissen, die am Ende den Sieg davontragen.


Wie die Liebe zum Leben im Grunde nur Furcht vor dem Tode ist, so ist auch der Geselligkeitstrieb der Menschen im Grunde kein direkter, beruht nämlich nicht auf Liebe zur Gesellschaft, sondern auf Furcht vor der Einsamkeit.


Ganz er selbst sein darf jeder nur solange er allein ist: wer also nicht die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit: denn nur wenn man allein ist, ist man frei.


Die gewöhnlichen Leute sind bloß darauf bedacht, die Zeit zuzubringen; wer irgendein Talent hat, – sie zu benutzen.


Im Ganzen und Allgemeinen jedoch beruht die dem Genie beigegebene Melancholie darauf, daß der Wille zum Leben, von je hellerem Intellekt er sich beleuchtet findet, desto deutlicher das Elend seines Zustandes wahrnimmt.


Höflichkeit ist Klugheit, folglich ist Unhöflichkeit Dummheit.


Aber ich glaube, daß wann der Tod unsre Augen schließt, wir in einem Licht stehn, von welchem unser Sonnenlicht nur der Schatten ist.


Hoffnung ist die Verwechselung des Wunsches einer Begebenheit mit ihrer Wahrscheinlichkeit.


Im Alter versteht man besser, die Unglücksfälle zu verhüten, in der Jugend, sie zu ertragen.


Im Umgang zieht jeder den ihm Ähnlichen entschieden vor; so daß einem Dummkopf die Gesellschaft eines andern Dummkopfs ungleich lieber ist, als die aller großen Geister zusammengenommen.


Ich hab‘ es mit der Wahrheit gehalten und nicht mit dem lieben Gott.


Der beste Mensch sein, heißt zwischen sich und andern den wenigsten Unterschied machen; der schlechteste, den meisten.


Jeder Tag ist ein kleines Leben – jedes Erwachen und Aufstehen eine kleine Geburt, jeder frische Morgen eine kleine Jugend, und jedes Zubettgehen und Einschlafen ein kleiner Tod.


Jedoch ist Neid zu fühlen, menschlich; Schadenfreude zu genießen, teuflisch.


Kein Geld ist vorteilhafter angewandt, als das, um welches wir uns haben prellen lassen: denn wir haben dafür unmittelbar Klugheit eingehandelt.


[…] daß kein Haß so unversöhnlich ist, wie der Neid; daher wir nicht unablässig und eifrig bemüht sein sollten, ihn zu erregen, vielmehr besser täten, diesen Genuss, wie manchen andern, der gefährlichen Folgen wegen, uns zu versagen.


Man brauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge.


Man lasse den guten Gedanken nur den Plan frei: sie werden kommen.


Wie man, in der Regel, keinen Freund dadurch verlieren wird, daß man ihm ein Darlehn abschlägt, aber sehr leicht dadurch, daß man es ihm gibt.


Nur die eigenen Gedanken haben Wahrheit und Leben; denn nur die eigenen Gedanken versteht man ganz.


Ich meine, wir sollten das, was wir besitzen, bisweilen so anzusehen uns bemühen, wie es uns vorschweben würde, nachdem wir es verloren hätten; und zwar jedes, was es auch sei: Eigentum, Gesundheit, Freude, Geliebte, Weib, Kind, Pferd und Hund: denn meistens belehrt erst der Verlust uns über den Wert der Dinge.


Mitleid mit Tieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, daß man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Tiere grausam ist, könne kein guter Mensch sein.


Neid ist dem Menschen natürlich: dennoch ist er ein Laster und Unglück zugleich. Der Neid der Menschen zeigt an, wie unglücklich sie sich fühlen; ihre beständige Aufmerksamkeit auf fremdes Tun und Lassen, wie sehr sie sich langweilen. Wir sollen daher ihn als den Feind unseres Glückes betrachten und als einen bösen Dämon zu ersticken suchen.


Überhaupt aber beruhen 9/10 unseres Glückes allein auf der Gesundheit. Mit ihr wird alles eine Quelle des Genusses: hingegen ist ohne sie kein äußeres Gut, welcher Art es auch sei, genießbar, und selbst die übrigen subjektiven Güter, die Eigenschaften des Geistes, Gemütes, Temperaments, werden durch Kränklichkeit herabgestimmt und sehr verkümmert.


Nicht was die Dinge objektiv und wirklich sind, sondern was sie für uns, in unserer Auffassung, sind, macht uns glücklich oder unglücklich: Dies eben besagt Epiktets: Nicht die Dinge, sondern die Meinungen über die Dinge erregen die Menschen.


Nichts ist leichter, als so zu schreiben, dass kein Mensch es versteht; wie hingegen nichts schwerer, als bedeutende Gedanken so auszudrücken, dass jeder sie verstehen muss.


Inzwischen ist die Skepsis in der Philosophie was die Opposition im Parlament, ist auch ebenso wohltätig, wie notwendig.


So eng auch Freundschaft, Liebe und Ehe Menschen verbinden; ganz ehrlich meint jeder es am Ende doch nur mit sich selbst und höchstens noch mit seinem Kinde.


Demnach ist Stolz die von innen ausgehende, folglich direkte Hochschätzung seiner selbst; hingegen Eitelkeit das Streben, solche von außen her, also indirekt zu erlangen.


Überhaupt aber tragen glänzende, rauschende Feste und Lustbarkeiten stets eine Leere, wohl gar einen Misston im Innern; schon weil sie dem Elend und der Dürftigkeit unseres Daseins laut widersprechen, und der Kontrast erhöht die Wahrheit.


Um das Gute zu lesen, ist eine Bedingung, dass man das Schlechte nicht lese.


Unser Gedächtnis gleicht einem Siebe, dessen Löcher anfangs klein, wenig durchfallen lassen, jedoch immer größer werden und endlich so groß sind, daß das Hineingeworfene fast alles durchfällt.


Vergeben und Vergessen heißt gemachte kostbare Erfahrungen zum Fenster hinauswerfen.


Viele Worte machen, um wenige Gedanken mitzuteilen, ist überall das untrügliche Zeichen der Mittelmäßigkeit; das des eminenten Kopfes dagegen, viele Gedanken in wenig Worte zu schließen.


Was dem Herzen widerstrebt, lässt der Kopf nicht ein.


Was aber die Leute gemeiniglich das Schicksal nennen, sind meistens nur ihre eigenen dummen Streiche.


Das Weinen ist demnach Mitleid mit sich selbst, oder das auf seinen Ausgangspunkt zurückgeworfene Mitleid.


Goethes so beliebtes Lied: »Ich hab mein’ Sach auf nichts gestellt«, besagt eigentlich, dass erst nachdem der Mensch aus allen möglichen Ansprüchen herausgetrieben und auf das nackte, halbe Dasein zurückgewiesen ist, er derjenigen Geistesruhe teilhaftig wird, welche die Grundlage des menschlichen Glückes ausmacht, indem sie nötig ist, um die Gegenwart, und somit das ganze Leben, genießbar zu finden. Zu eben diesem Zwecke sollten wir stets eingedenk sein, dass der heutige Tag nur einmal kommt und nimmer wieder. Aber wir wähnen, er komme morgen wieder: morgen ist jedoch ein anderer Tag, der auch nur einmal kommt.


Wird hingegen, mit plumper Absichtlichkeit, ein Reales und Anschauliches geradezu unter den Begriff seines Gegenteils gebracht, so entsteht die platte, gemeine Ironie. Z. B. wenn bei starkem Regen gesagt wird: »das ist heute ein angenehmes Wetter«; – oder, von einer hässlichen Braut: »der hat sich ein schönes Schätzchen ausgesucht«; – oder von einem Spitzbuben: »dieser Ehrenmann«; u. dgl. m. Nur Kinder und Leute ohne alle Bildung werden über so etwas lachen: denn hier ist die Inkongruenz zwischen dem Gedachten und dem Angeschauten eine totale.


Zu verlangen, daß einer alles, was er je gelesen, behalten hätte, ist wie verlangen, daß er alles, was er je gegessen hat, noch in sich trüge. Er hat von diesem leiblich, von jenem geistig gelebt und ist dadurch geworden was er ist.


Andererseits könnte man die Geschichte auch ansehn, als eine Fortsetzung der Zoologie.


Alle Dinge sind herrlich zu sehen, aber schrecklich zu sein.


Die Ehre hat in gewissem Sinne einen negativen Charakter, nämlich im Gegensatz des Ruhmes, der einen positiven Charakter hat. Denn die Ehre ist nicht die Meinung von besonderen, diesem Subjekt allein zukommenden Eigenschaften, sondern nur von den der Regel nach vorauszusetzenden, als welche auch ihm nicht abgehen sollen. Sie besagt daher nur, dass dies Subjekt keine Ausnahme mache; während der Ruhm besagt, dass es eine mache. Ruhm muss daher erst erworben werden: die Ehre hingegen braucht bloß nicht verloren zu gehen.


Der Reichtum gleicht dem Seewasser: je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man.


Übrigens sind auch solche Leute, die wegen der Dumpfheit ihres Bewusstseins ohne Bedürfnis und ohne Anlage zur Philosophie sind, darum doch nicht ohne eine Art von Philosophie, von System religiöser oder andrer Art: denn sie sind doch Menschen und bedürfen als solche einer Metaphysik: aber sie haben eben das erste beste festgehalten und sind meistens sehr hartnäckig in dessen Behauptung, weil, wenn sie es fahren ließen, dies ihnen die Notwendigkeit auflegen würde, zu denken, zu forschen, zu lernen: was sie eben vorzüglich scheuen und daher sehr froh sind, so etwas ein für allemal zu haben, was sie jeder Arbeit dieser Art überhebt.


Der Mensch kann tun, was er will, er kann aber nicht wollen, was er will.


Das Beste und meiste muss daher jeder sich selber sein oder leisten. Je mehr nun dieses ist, und je mehr demzufolge er die Quellen seiner Genüsse in sich selbst findet, desto glücklicher wird er sein.


So sehr viel leichter ist widerlegen, als beweisen, umwerfen, als aufstellen.


Vom Standpunkte der Jugend aus gesehen, ist das Leben eine unendlich lange Zukunft; vom Standpunkte des Alters aus eine sehr kurze Vergangenheit.


Aber wir verleben unsere schönen Tage, ohne sie zu bemerken: erst wenn die schlimmen kommen, wünschen wir jene zurück.


Das niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht das schöne nennen konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt: in diesem Triebe nämlich steckt seine ganze Schönheit. Mit mehr Fug, als das schöne, könnte man das weibliche Geschlecht das unästhetische nennen.


Zwischen dem Genie und dem Wahnsinnigen ist die Ähnlichkeit, daß sie in einer andern Welt leben, als die für alle vorhandene.


… bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt.


Um durch die Welt zu kommen, ist es zweckmäßig, einen großen Vorrat von Vorsicht und Nachsicht mitzunehmen: durch erstere wird man vor Schaden und Verlust, durch letztere vor Streit und Händel geschützt.


Auch hier stellt das Leben sich keineswegs dar als ein Geschenk zum Genießen, sondern als eine Aufgabe, ein Pensum zum Abarbeiten.


Das Publikum ist so einfältig, lieber das Neue als das Gute zu lesen.


Dass uns der Anblick der Tiere so sehr ergötzt, beruht hauptsächlich darauf, dass es uns freut, unser eigenes Wesen so sehr vereinfacht vor uns zu sehen.


Der Bart sollte, als halbe Maske, polizeilich verboten sein. Zudem ist er, als Geschlechtsabzeichen mitten im Gesicht, obszön: daher gefällt er den Weibern.


Was kann impertinenter sein, als da, wo das rein Menschliche, wo Wahrheit, Klarheit und Schönheit allein gelten sollen, seine Vorliebe für die Nation, der die eigene werte Person angehört, geltend machen zu wollen.


Zu Pflegerinnen und Erzieherinnen unserer Kindheit eignen die Weiber sich gerade dadurch, daß sie selbst kindisch, läppisch und kurzsichtig, mit einem Worte, zeitlebens große Kinder sind; eine Mittelstufe zwischen dem Kinde und dem Manne, als welcher der eigentliche Mensch ist.


Der sexus sequior ist sequior in jedem Betracht: Warten Sie, daß sie in meinem Alter sein werden, wie Ihnen dann diese kurzbeinigen, langleibigen, schmalschultrigen, breithüftigen mit Zitzen exornierten Persönchen vorkommen werden: Auch Ihre Gesichter sind nichts, gegen die der schönsten Jünglinge, zumal die Augen, ohne Energie.


Der vollkommene Weltmann wäre der, welcher nie in Unschlüssigkeit stockte und nie in Übereilung geriete.


Der Stil erhält die Schönheit vom Gedanken.


Das wahre Leben des Gedankens dauert nur bis er an den Grenzpunkt der Worte angelangt ist: fortan ist er tot, aber unverwüstlich gleich den petrifizierten Tieren, oder besser: dem Kristall.


Der Jammer des Lebens geht schon genugsam aus der einfachen Betrachtung hervor, dass das Leben der allermeisten Menschen nichts ist als ein beständiger Kampf um diese Existenz selbst, mit der Gewissheit ihn zuletzt zu verlieren.


Für das praktische Leben ist das Genie so brauchbar wie ein Stern-Teleskop im Theater.


Wenn mir ein Gedanke nur undeutlich entsteht und als ein schwaches Bild vorschwebt; so ergreift mich unsägliche Begierde, ihn zu fassen; ich lasse alles stehen und liegen und verfolge ihn, wie der Jäger das Wild, durch alle Krümmungen, stelle ihm von allen Seiten nach und verrenne ihm den Weg, bis ich ihn fasse, deutlich mache und als erlegt zu Papiere bringe. Bisweilen entrinnt er mir doch: dann muss ich warten, bis ein anderer Zufall ihn einmal wieder aufjagt. Gerade die, welche ich erst nach mehreren vergeblichen Jagden fing, sind gewöhnlich die besten. Aber wenn ich bei so einer Verfolgung unterbrochen werde, besonders durch ein Tiergeschrei, das zwischen meine Gedanken hereinfährt, wie das Henkerschwert zwischen Kopf und Rumpf, — da empfinde ich eines der Leiden, die wir verwirkt haben, als wir mit Hunden, Eseln, Enten in eine Welt hinabstiegen.


Im ganzen Verlaufe des beschriebenen Hergangs kannst du immer beobachten, daß Glauben und Wissen sich verhalten wie die zwei Schalen einer Waage: in dem Maße, als die eine steigt, sinkt die andere.


In unserem monogamischen Weltteile heißt heiraten seine Rechte halbieren und seine Pflichten verdoppeln.


Jede Nation spottet über die andere, und alle haben recht.


Man lernt dann und wann etwas, aber man vergißt den ganzen Tag.


Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.


Besonders aber gebe man dem Gehirn das zu seiner Reflexion nötige, volle Maß des Schlafes; denn der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr.


Schon der Anblick der weiblichen Gestalt lehrt, daß das Weib weder zu großen geistigen, noch körperlichen Arbeiten bestimmt ist.


Wie man auf einem Schiffe befindlich, sein Vorwärtskommen nur am Zurückweichen und demnach Kleinerwerden der Gegenstände auf dem Ufer bemerkt; so wird man sein Alt- und Älterwerden daran inne, daß Leute von immer höheren Jahren einem jung vorkommen.


Lesen heißt mit einem fremden Kopfe, statt des eigenen, denken.


Alle Formen nimmt die Geistlosigkeit an, um sich dahinter zu verstecken: sie verhüllt sich in Schwulst, in Bombast, in den Ton der Überlegenheit und Vornehmigkeit und in hundert andere Formen.


Mitleid mit den Tieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, dass man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Tiere grausam ist, könne kein guter Mensch sein.


Wer klug ist, wird im Gespräch weniger an das denken, worüber er spricht, als an den, mit dem er spricht. Sobald er dies tut, ist er sicher, nichts zu sagen, das er nachher bereut.


Alles Urdenken geschieht in Bildern: darum ist die Phantasie ein so notwendiges Werkzeug desselben, und werden phantasielose Köpfe nie etwas Großes leisten, – es sei denn in der Mathematik.


Nun läuft aber alle analysis finitorum et infinitorum im Grunde doch auf Rechnerei zurück. Danach bemesse man den „mathematischen Tiefsinn“, über welchen schon Lichtenberg sich lustig macht.


Daß die niedrigste aller Geistestätigkeiten die arithmetische sei, wird dadurch belegt, daß sie die einzige ist, welche auch durch eine Maschine ausgeführt werden kann.


Was Wert hat wird nicht geachtet, und was geachtet wird, hat keinen Wert.


Vor Kant waren wir in der Zeit; jetzt ist die Zeit in uns.


Je mehr der Mensch des ganzen Ernstes fähig ist, desto herzlicher kann er lachen. Menschen, deren Lachen stets affektiert ist und gezwungen, sind intellektuell und moralisch von leichtem Gehalte.


Wer die weite Reise zur Nachwelt vorhat, darf keine unnütze Bagage mitschleppen; denn er muß leicht sein, um den langen Strom der Zeit hinab zu schwimmen.


Besonders überwiegt die Gesundheit alle äußeren Güter so sehr, daß wahrlich ein gesunder Bettler glücklicher ist, als ein kranker König.


Klopfte man an die Gräber und fragte die Toten, ob sie wieder aufstehen wollten; sie würden mit den Köpfen schütteln.


… auch das Zufälligste ist nur ein auf entfernterem Wege herangekommenes Notwendiges.


Gerade in Kleinigkeiten, als bei welchen der Mensch sich nicht zusammennimmt, zeigt er seinen Charakter, und da kann man oft, an geringfügigen Handlungen, an bloßen Manieren, den grenzenlosen, nicht die mindeste Rücksicht auf andere kennenden Egoismus bequem beobachten, der sich nachher im Großen nicht verleugnet, wiewohl verlarvt.


Wirklich ist jedes Kind gewissermaßen ein Genie, und jedes Genie gewissermaßen ein Kind.


Viel zuviel Wert auf die Meinung anderer zu legen ist ein allgemein herrschender Irrwahn.


Die Genitalien sind der Resonanzboden des Gehirns.


Zu dem, was einer hat, habe ich Frau und Kinder nicht gerechnet; da er von diesen vielmehr gehabt wird.


Es gibt nur eine Heilkraft, und das ist die Natur; in Salben und Pillen steckt keine.


Sich zu mühen und mit dem Widerstände zu kämpfen ist dem Menschen Bedürfnis, wie dem Maulwurf das Graben. Der Stillstand, den die Allgenugsamkeit eines bleibenden Genusses herbeiführte, wäre ihm unerträglich. Hindernisse überwinden ist der Vollgenuss seines Daseins.


Überhaupt aber kann jeder im vollkommensten Einklange nur mit sich selbst stehen; nicht mit seinem Freunde, nicht mit seiner Geliebten: denn die Unterschiede der Individualität und Stimmung führen allemal eine, wenn auch geringe, Dissonanz herbei: Daher ist der wahre, tiefe Friede des Herzens und die vollkommene Gemütsruhe, dieses, nächst der Gesundheit, höchste irdische Gut, allein in der Einsamkeit zu finden und als dauernde Stimmung nur in der tiefsten Zurückgezogenheit.


Das deutsche Vaterland hat an mir keinen Patrioten erzogen.


Die Deutschen zu loben? – Dazu würde mehr Vaterlandsliebe erfordert, als man nach dem Lose, welches mir geworden, billigerweise von mir verlangen kann.


Wenn ich nun in dieser Absicht etwa sagte: die Ehre ist das äußere Gewissen, und das Gewissen die innere Ehre; so könnte dies vielleicht manchem gefallen; würde jedoch mehr eine glänzende, als eine deutliche und gründliche Erklärung sein. Daher sage ich: die Ehre ist, objektiv, die Meinung anderer von unserm Wert, und subjektiv, unsere Furcht vor dieser Meinung. In letzterer Eigenschaft hat sie oft eine sehr heilsame, wenn auch keineswegs rein moralische Wirkung, im Mann von Ehre.


Es gibt Leute; die zahlen für Geld jeden Preis.


Die Wahrheit kann warten: denn sie hat ein langes Leben vor sich.


Denn überhaupt um fremden Wert willig und frei anzuerkennen und gelten zu lassen, muß man eigenen haben.


Der schlechteste Zug in der menschlichen Natur bleibt aber die Schadenfreude, da sie der Grausamkeit enge verwandt ist, ja eigentlich von dieser sich nur wie Theorie von Praxis unterscheidet, überhaupt aber da eintritt, wo das Mitleid seine Stelle finden sollte, welches, als ihr Gegenteil, die wahre Quelle aller echten Gerechtigkeit und Menschenliebe ist.


Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.


Die Menschen sind zum Tadeln aufgelegt, weil sie sich durch dieses indirekt selbst loben.


Leitstern der allermeisten Menschen [ist] das Beispiel anderer, und ihr ganzes Tun und Treiben im Großen, wie im Kleinen, läuft auf bloße Nachahmung zurück: nicht das Geringste tun sie nach eigenem Ermessen. Die Ursache hiervon ist ihre Scheu vor allem und jedem Nachdenken und ihr gerechtes Misstrauen gegen das eigene Urteil.


Der Tod ist ein Schlaf, in welchem die Individualität vergessen wird: alles andere erwacht wieder, oder vielmehr ist wach geblieben.


Der eigene Vorteil verfälscht das Urteil vollständig.


Im stillen Bewußtsein dieses Bewandnisses der Sache [daß der Stil ein genauer Abdruck der Qualität des Denkens ist] sucht jeder Mediokre seinen, ihm eigenen und natürlichen Stil zu maskieren.


Keine Wissenschaft imponiert der Menge so sehr, wie die Astronomie.


Denn nicht in der Weltgeschichte, wie die Professorenphilosophie es wähnt, ist Plan und Ganzheit, sondern im Leben des einzelnen.


Geistige Werte müssen uns ansprechen wie Könige. Sie dürfen nicht aufgedrängt werden.


Anziehungskraft Gedanken und Witze willst Du verschwenden? Den Anhang der Menschen Dir zuzuwenden?! Gib ihnen was Gutes zu fressen, zu saufen: Sie kommen in Scharen Dir zugelaufen.


Hat die Liebe ihren Sitz im Willen (…), so hat der Haß ihn auch. — Ist aber dieser im Sitz des Gefühls (…), dann die Liebe auch.


Es ist nicht genug, daß man verstehe, der Natur Daumenschrauben anzulegen; man muß die auch verstehen können, wenn sie aussagt.


Gegensätze hassen sich.


Die Welt ist eben die Hölle, und die Menschen sind einerseits die gequälten Seelen und andererseits die Teufel darin.


Im Herzen steckt der Mensch, nicht im Kopf.


Es wäre gut Bücher kaufen, wenn man die Zeit, sie zu lesen, mitkaufen könnte, aber man verwechselt meistens den Ankauf der Bücher mit dem Aneignen ihres Inhalts.


Eine gefaßte Hypothese gibt uns Luchsaugen für alles sie Bestätigende und macht uns blind für alles ihr Widersprechende.


Ganz glücklich, in der Gegenwart, hat sich noch kein Mensch gefühlt; er wäre denn betrunken gewesen.


Der Natur liegt bloß unser Dasein, nicht unser Wohlsein am Herzen.


Man muss alt geworden sein, also lange gelebt haben, um zu erkennen, wie kurz das Leben ist.


Wir gleichen den Lämmern, die auf der Wiese spielen, während der Metzger schon eines und das andere von ihnen mit den Augen auswählt.


Durch das, was wir tun, erfahren wir bloß, was wir sind.


Das fortwährende Dasein des Menschengeschlechts ist bloß ein Beweis der Geilheit desselben.


Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Tier. Wir kennen es bloß im Zustande der Bändigung und Zähmung, welcher Zivilisation heißt.


Als Zweck unseres Daseins ist in der Tat nichts anderes anzugeben, als die Erkenntnis, daß wir besser nicht da wären.


Hass ist Sache des Herzens, Verachtung des Kopfs.


Ist eine Frau im Spiel, hat der Mann schon verloren.


Einsamkeit ist das Los aller hervorragender Geister: sie werden solche bisweilen beseufzen, aber stets sie als das kleinere von zwei Übeln erwählen.


Der Tor läuft den Genüssen des Lebens nach und sieht sich betrogen: der Weise vermeidet die Übel.


Das Affektieren irgendeiner Eigenschaft, das Sich-Brüsten damit, ist ein Selbstgeständnis, dass man sie nicht hat. Sei es Mut, oder Gelehrsamkeit, oder Geist, oder Witz, oder Glück bei Weibern, oder Reichtum, oder vornehmer Stand, oder was sonst, womit einer groß tut; so kann man daraus schließen, daß es ihm gerade daran in etwas gebricht; denn wer wirklich eine Eigenschaft vollkommen besitzt, dem fällt es nicht ein, sie herauszulegen und zu affektieren, sondern er ist darüber ganz beruhigt.


Jeder sieht am andern nur so viel, als er selbst auch ist.


Also wer erwartet, daß in der Welt die Teufel mit Hörnern und die Narren mit Schellen einhergehen, wird stets ihre Beute oder ihr Spiel sein.


Mit Italien lebt man wie mit einer Geliebten: heute im heftigen Zank, morgen in Anbetung – in Deutschland wie mit einer Hausfrau, ohne großen Zank und ohne große Liebe.


Das ist eine rechte Herzenstärkung im Alter, wo die Freunde unsrer Jugendzeit fast alle weggestorben sind, daß wir neue und junge Freunde finden, welche an Teilnahme und Eifer die ehemaligen übertreffen.


Wenn was uns den Tod so schrecklich erscheinen läßt der Gedanke des Nichtseins wäre; so müßten wir mit gleichem Schauder der Zeit gedenken, da wir noch nicht waren. Denn es ist unumstößlich gewiß, daß das Nichtsein nach dem Tode nicht verschieden sein kann von dem vor der Geburt, folglich auch nicht beklagenswerter.


Ein hohes Alter zu erreichen, gibt es, bei fehlerfreier Konstitution, als völlig notwendige Bedingung, zwei Wege, die man am Brennen zweier Lampen erläutern kann: die eine brennt lange, weil sie, bei wenigem Öl, einen sehr dünnen Docht hat; die andere, weil sie, zu einem starken Docht, auch viel Öl hat: das Öl ist die Lebenskraft, der Docht der Verbrauch derselben, auf jede Art und Weise.


Die Haupt- und Grundtriebfeder im Menschen, wie im Tiere, ist der Egoismus, d. h. der Drang zum Dasein und Wohlsein.


Große Fähigkeiten machen stolz und erzeugen Feinde; geringe machen demütig und verschaffen Gönner.


Jene lehren, um Geld zu verdienen und streben nicht nach Weisheit, sondern nach dem Schein und Kredit derselben: und diese lernen nicht, um Kenntnis und Einsicht zu erlangen, sondern um schwätzen zu können und sich ein Ansehn zu geben.


Jedes überflüssige Wort wirkt seinem Zwecke gerade entgegen.


Ein angeknurrter Hund knurrt wieder, ein geschmeichelter schmeichelt zurück.


Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit.


Wer wagt mir zu widersprechen, wenn ich sage, die Menschen sind wesentlich böse, wesentlich unglücklich, wesentlich töricht?


Der Charakter des Menschen ist konstant: er bleibt der selbe, das ganze Leben hindurch.


Aller Eigensinn beruht darauf, daß der Wille sich an die Stelle der Erkenntnis gedrängt hat.


So lange der Ausgang einer gefährlichen Sache nur noch zweifelhaft ist, so lange nur noch die Möglichkeit, daß er ein glücklicher werde, vorhanden ist, darf an kein Zagen gedacht werden, sondern bloß an Widerstand; wie man am Wetter nicht verzweifeln darf, so lange noch ein blauer Fleck am Himmel ist.


So lange wir jung sind, mag man uns sagen, was man will, halten wir das Leben für endlos und gehen danach mit der Zeit um. Je älter wir werden, desto mehr ökonomisieren wir unsere Zeit. Denn im späteren Alter erregt jeder verlebte Tag eine Empfindung, welche der verwandt ist, die bei jedem Schritt ein zum Hochgericht geführter Delinquent hat.


Ein Hauptstudium der Jugend sollte sein, die Einsamkeit ertragen zu lernen; weil sie eine Quelle des Glückes, der Gemütsruhe ist.


Tier endlich ist das, dessen Bewegungen nicht direkt und einfach nach dem Gesetz der Kausalität, sondern nach dem der Motivation erfolgen, welche die durch das Erkennen hindurchgegangene und durch dasselbe vermittelte Kausalität ist.


Ein jedes Problem durchläuft bis zu seiner Anerkennung drei Stufen: In der ersten erscheint es lächerlich, in der zweiten wird es bekämpft, und in der dritten gilt es als selbstverständlich.


Indessen ist die größte Eiche einmal eine Eichel gewesen, die jedes Schwein verschlucken konnte.


Der simple, eigentliche Gelehrte sieht den denkenden und originellen Kopf an, etwa wie wir den Hasen, der erst nach seinem Tode genießbar und der Zurichtung fähig ist; auf den man aber solange er lebt, bloß schießen muß.


Die andern Weltteile haben Affen; Europa hat Franzosen. Das gleicht sich aus.


Wenn die ganze Welt eine Bühne ist, wo sitzen dann die Zuschauer?


Was der Reichtum über die Befriedigung der wirklichen und natürlichen Bedürfnisse hinaus noch leisten kann, ist von geringem Einfluß auf unser eigentliches Wohlbehagen: vielmehr wird dieses gestört durch die vielen und unvermeidlichen Sorgen, welche die Erhaltung eines großen Besitzes herbeiführt. Dennoch aber sind die Menschen tausendmal mehr bemüht, sich Reichtum, als Geistesbildung zu erwerben; während doch ganz gewiß was man ist viel mehr zu unserm Glücke beiträgt, als was man hat.


Mein lieber Setzer! Wir verhalten uns zueinander wie Leib und Seele; müssen daher, wie diese, einander unterstützen, auf daß ein Werk zu Stande komme, daran der Herr (Brockhaus) Wohlgefallen habe.


Das Alter hat die Heiterkeit dessen, der eine lange getragene Fessel los ist und sich nun frei bewegt.


Mit den Mädchen hat es die Natur auf das, was man, im dramaturgischen Sinne, einen Knalleffekt nennt, abgesehen, indem sie dieselben auf wenige Jahre mit überreichlicher Schönheit, Reiz und Fülle ausstattete, auf Kosten ihrer ganzen übrigen Lebenszeit, damit sie nämlich, während jener Jahre, die Phantasie eines Mannes sich in dem Maße bemächtigen können, daß er hingerissen wird, die Sorge für sie auf zeitlebens, in irgendeiner Form ehrlich zu übernehmen; zu welchem Schritte ihn zu vermögen, die bloße vernünfige Überlegung keine hinlängliche sichere Bürgschaft zu geben schien.


Durch viele Zitate vermehrt man seinen Anspruch auf Gelehrsamkeit, vermindert aber den auf Originalität, und was ist Gelehrsamkeit gegen Originalität! Man soll sie also nur gebrauchen, wo man fremder Autorität wirklich bedarf.


Umgekehrt nun aber wird Geistesarmut, Verworrenheit, Verschrobenheit sich in die gesuchtesten Ausdrücke und dunkelsten Redensarten kleiden, um so in schwierige und pomphafte Phrasen kleine, winzige, nüchterne, oder alltägliche Gedanken zu verhüllen, demjenigen gleich, der, weil ihm die Majestät der Schönheit abgeht, diesen Mangel durch die Kleidung ersetzen will und unter barbarischem Putz, Flittern, Federn, Krausen, Puffen und Mantel, die Winzigkeit oder Häßlichkeit seiner Person zu verstecken sucht.


Je enger unser Gesichts-, Wirkungs- und Berührungskreis, desto glücklicher sind wir: je weiter, desto öfter fühlen wir uns gequält, oder geängstigt. Denn mit ihm vermehren und vergrößern sich die Sorgen, Wünsche und Schrecknisse.


Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen.


Demzufolge ist darüber, ob einer aus Einsicht oder aus Absicht redet, nicht ein Mal das Zeugnis seines eigenen Bewußtseins gültig, meistens aber das seines Interesses.


Was einer ›an sich selbst hat‹, kommt ihm nie mehr zugute als im Alter.


Die Leute zu kränken ist leicht, sie zu bessern schwer, wo nicht unmöglich.


Es gibt auf der Welt nur ein lügenhaftes Wesen: es ist der Mensch. Jedes andere ist wahr und aufrichtig, indem es sich unverhohlen gibt als das, was es ist, und sich äußert, wie es sich fühlt.


Jeder Beweis ist die Zurückführung des Zweifelhaften auf ein Anerkanntes.


Was aber das Leben des Einzelnen betrifft, so ist jede Lebensgeschichte eine Leidensgeschichte: denn jeder Lebenslauf ist, in der Regel, eine fortgesetzte Reihe großer und kleiner Unfälle, die zwar jeder möglichst verbirgt, weil er weiß, daß andere selten Teilnahme oder Mitleid, fast immer aber Befriedigung durch die Vorstellung der Plagen, von denen sie gerade jetzt verschont sind, dabei empfinden müssen; — aber vielleicht wird nie ein Mensch, am Ende seines Lebens, wenn er besonnen und zugleich aufrichtig ist, wünschen, es nochmals durchzumachen, sondern, eher als das, viel lieber gänzliches Nichtsein erwählen.


Freundschaft, Liebe und Anhänglichkeit der Menschen erwirbt man nur durch Freundschaft, Liebe und Anhänglichkeit an sie.


Die Religion ist die Metaphysik des Volks, die man ihm schlechterdings lassen und daher sie äußerlich achten muß.


Das Schicksal ist grausam und die Menschen sind erbärmlich.


Die Philosophie ist eine hohe Alpenstraße, zu ihr führt nur ein steiler Pfad über spitze Steine und stechende Dornen: er ist einsam und wird immer öder, je höher man kommt, und wer ihn geht, darf kein Grausen kennen, sondern muß alles hinter sich lassen und sich getrost im kalten Schnee seinen Weg bahnen. Oft steht er plötzlich am Abgrund und sieht unten das grüne Tal: dahin zieht ihn der Schwindel gewaltsam hinab; aber er muß sich halten und sollte er mit dem eigenen Blut die Sohlen an den Felsen kleben. Dafür sieht er bald die Welt unter sich, ihre Sandwüsten und Moräste verschwinden, ihre Unebenheiten gleichen sich aus, ihre Mißtöne dringen nicht hinauf, ihre Rundung offenbart sich. Er selbst steht immer in reiner, kühler Alpenluft und sieht schon die Sonne, wenn unten noch schwarze Nacht liegt.


Den Gang der gemessen ablaufenden Zeit beschleunigen zu wollen, ist das kostspieligste Unternehmen.


Der Mensch für sich allein vermag gar wenig und ist ein verlassener Robinson: nur in der Gemeinschaft mit den andern ist und vermag er viel.


Alles Behaartsein ist tierisch: die Rasur ist das Symbol, das Feldzeichen der höheren Zivilisation.


Demnach ist Genialität die Fähigkeit, sich rein anschauend zu verhalten, sich in die Anschauung zu verlieren und die Erkenntnis, welche ursprünglich nur zum Dienste des Willens da ist, diesem Dienste zu entziehn, d.h. sein Interesse, sein Wollen, seine Zwecke, ganz aus den Augen zu lassen, sonach seiner Persönlichkeit sich auf eine Zeit völlig zu entäußern, um als rein erkennendes Subjekt, klares Weltauge, übrig zu bleiben: und dieses nicht auf Augenblicke; sondern so anhaltend und mit so viel Besonnenheit, als nötig ist, um das Aufgefasste durch überlegte Kunst zu wiederholen und »was in schwankender Erscheinung schwebt, zu befestigen in dauernden Gedanken«.


Aber ist denn die Welt ein Guckkasten? Zu sehn sind diese Dinge freilich schön; aber sie zu sein ist ganz etwas anderes.


Die Mutter der nützlichen Künste ist die Not, die der schönen der Überfluss.


Jeder Angriff, der einen Mann nicht umwirft, stärkt ihn.


Wohin Denken ohne Experimentieren führt, hat uns das Mittelalter gezeigt: aber dies Jahrhundert ist bestimmt, uns sehen zu lassen, wohin Experimentieren ohne Denken führt.


Die vollkommenste Lüge aber ist der gebrochene Vertrag.


Überhaupt ist es geratener seinen Verstand durch das, was man verschweigt, an den Tag zu legen, als durch das was man sagt. Ersteres ist Sache der Klugheit, letzteres der Eitelkeit.


Die Frage ist ein Urteil, von dessen drei Stücken eines offen gelassen ist.


Die Welt ist kein Machwerk und die Tiere kein Fabrikat zu unserm Gebrauch.


Alles Verstehen ist ein Akt des Vorstellens, bleibt daher wesentlich auf dem Gebiete der Vorstellung.


Der größte Feind des Stolzes ist die Eitelkeit.


Übrigens ist es in der Gelehrtenrepublik, wie in andern Republiken: man liebt einen schlichten Mann, der still vor sich hingeht und nicht klüger sein will, als die andern.


Vielmehr ändern die Menschen Gesinnung und Betragen ebenso schnell, wie ihr Interesse sich ändert; ja, ihre Absichtlichkeit zieht ihre Wechsel auf so kurze Sicht, dass man selbst noch kurzsichtiger sein müsste, um sie nicht protestieren zu lassen.


Seltsam ist es, daß wir in schlimmen Tagen uns die vergangenen glücklichen sehr lebhaft vergegenwärtigen können, hingegen in guten Tagen die schlimmen nur sehr unvollkommen.


Wo und wie auch immer das Vortreffliche auftritt; gleich ist die gesamte Mittelmäßigkeit verbündet und verschworen, es zu ersticken.


Jeder sieht die Grenzen seines Gesichtsfeldes als die Grenzen der Welt an.


Einer sei jung, schön, reich und geehrt; so fragt sich, wenn man sein Glück beurteilen will, ob er dabei heiter sei: ist er hingegen heiter, so ist es einerlei, ob er jung oder alt, gerade oder bucklig, arm oder reich sei; er ist glücklich.


Man hätte viel gewonnen, wenn man durch zeitige Belehrung, den Wahn, daß in der Welt viel zu holen sei, in den Jünglingen ausrotten könnte.


Dr. Sederholm, Pfarrer aus Moskau, welcher Schwedisch kann, sagt, daß “seelig” nicht von Seele kommt, sondern vom schwedischen Wort Sal, welches bedeutet Fülle, Herrlichkeit, Glücksäligkeit (doch nicht im theologischen Sinn), und welches im Deutschen bloß in seinen Derivativis Trübsal, Schicksal usw. übrig ist: – also ist statt “seelig” sälig zu schreiben.


Die Sudler sollten ihre Dummheit an etwas anderm auslassen, als an der deutschen Sprache.


Überhaupt aber wird zur Entdeckung der wichtigsten Wahrheiten nicht die Beobachtung der seltenen und verborgenen, nur durch Experimente darstellbaren Erscheinungen führen; sondern die der offen daliegenden, jedem zugänglichen Phänomene. Daher ist die Aufgabe nicht sowohl, zu sehn was noch keiner gesehn hat, als, bei dem, was jeder sieht, zu denken, was noch keiner gedacht hat.


Also auch im Praktischen ist Originalität unerläßlich: sonst paßt was man tut nicht zu dem, was man ist.


Für intellektuelle Leistungen nimmt man gern einen Lohn, aber für moralische weist man ihn ab.


Mancher Zoolog ist doch im Grunde nichts weiter, als ein — Affenregistrator.


Deshalb sind zum Bestehen plötzlicher Gefahren, wie auch zum Streit mit Gegnern und Feinden, Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart die wesentlichste Befähigung. Jene besteht im Schweigen des Willens, damit der Intellekt agieren könne; diese in der ungestörten Tätigkeit des Intellekts, unter dem Andrang der auf den Willen wirkenden Begebenheiten: daher eben ist jene ihre Bedingung, und beide sind nahe verwandt, sind selten, und stets nur komparativ vorhanden.


Es gibt Kamele mit einem Höcker, und es gibt welche mit zwei Höckern, die größten Kamele aber haben keinen.


Beklagte man ehemals die Schuld der Welt, so sieht man jetzt mit Grauen auf die Schulden der Welt.


So kann das eigentlich Beglückende nicht im Ruhme liegen, sondern in dem, wodurch man ihn erlangt, also im Verdienste selbst, oder, genauer zu reden, in der Gesinnung und den Fähigkeiten, aus denen es hervorging, es mag nun moralischer oder intellektueller Art sein.


Keine Rose ohne Dornen. – Aber manche Dornen ohne Rosen.


Der Geist des Spiels nämlich ist, daß man auf alle Weise, durch jeden Streich und jeden Schlich, dem andern das seinige abgewinne. Aber die Gewohnheit, im Spiel so zu verfahren, wurzelt ein, greift über in das praktische Leben, und man kommt allmählich dahin, in den Angelegenheiten des Mein und Dein es ebenso zu machen und jeden Vorteil, den man eben in der Hand hält, für erlaubt zu halten, sobald man es nur gesetzlich darf.


Überhaupt aber ist die monarchische Regierungsform die dem Menschen natürliche; fast so, wie sie es den Bienen und Ameisen, den reisenden Kranichen, den wandernden Elefanten, den zu Raubzügen vereinigten Wölfen und andern Tieren mehr ist, welche alle einen an die Spitze ihrer Unternehmung stellen.


Keine Lüge ist so frech, daß ein anonymer Rezensent sie sich nicht erlauben sollte: er ist ja nicht verantwortlich.


Der Rang, so wichtig er in den Augen des großen Haufens und der Philister, und so groß sein Nutzen im Getriebe der Staatsmaschine sein mag, läßt sich mit wenigen Worten abfertigen.


Sogar ist die Poesie eine Stütze der Philosophie, eine Fundquelle von Beispielen, ein Erregungsmittel der Meditation und ein Probierstein moralischer und Psychologischer Lehrsätze. Die Poesie verhält sich eigentlich zur Philosophie so, wie die Erfahrung sich zur Wissenschaft verhält.


Was dein Feind nicht wissen soll, das sage deinem Freunde nicht.


Die einzige Welt, welche jeder wirklich kennt und von der er weiß, trägt er in sich, als seine Vorstellung, und ist daher das Zentrum derselben. Deshalb eben ist jeder sich alles in allem; er findet sich als den Inhaber der Realität und kann ihm nichts wichtiger sein, als er selbst.


Toleranz heißt: die Fehler des anderen entschuldigen. Genie heißt: sie nicht zu bemerken.


Mit Recht ist gesagt worden: das Gehirn denkt, wie der Magen verdaut.


Unter Metaphysik verstehe ich jede angebliche Erkenntnis, welche über die Möglichkeit der Erfahrung, also über die Natur, oder die gegebene Erscheinung der Dinge, hinausgeht, um Aufschluss zu erteilen über das, wodurch jene, in einem oder dem andern Sinne, bedingt wäre; oder, populär zu reden, über das, was hinter der Natur steckt und sie möglich macht.


Darum wird auch der von Leidenschaften, oder Not und Sorge Gequälte durch einen einzigen freien Blick in die Natur so plötzlich erquickt, erheitert und aufgerichtet: der Sturm der Leidenschaften, der Drang des Wunsches und der Furcht und alle Qual des Wollens sind dann sogleich auf eine wundervolle Art beschwichtigt.


Ferner, wie das Land am glücklichsten ist, welches weniger, oder keiner, Einfuhr bedarf; so auch der Mensch an seinem inneren Reichtum genug hat und zu seiner Unterhaltung wenig, oder nichts, von außen nötig hat; da dergleichen Zufuhr viel kostet, abhängig macht, Gefahr bringt, Verdruss verursacht und am Ende doch nur ein schlechter Ersatz ist für die Erzeugnisse des eigenen Bodens.


Von zehn Dingen, die uns ärgern, würden neun es nicht vermögen, wenn wir sie recht gründlich, aus ihren Ursachen, verständen und daher ihre Notwendigkeit und wahre Beschaffenheit erkennten: dies aber würden wir viel öfter, wenn wir sie früher zum Gegenstande der Überlegung, als des Eifers und Verdrusses machten.


Orden sind Wechselbriefe, gezogen auf die öffentliche Meinung: ihr Wert beruht auf dem Kredit des Ausstellers. Inzwischen sind sie, auch ganz abgesehen von dem vielen Gelde, welches sie als Substitut pekuinärer Belohnungen dem Staate ersparen, eine ganz zweckmäßige Einrichtung; vorausgesetzt, daß ihre Verteilung mit Einsicht und Gerechtigkeit geschehe.


Alle wahre und reine Liebe ist Mitleid, und jede Liebe, die nicht Mitleid ist, ist Selbstsucht.


Alle Wahrheit und alle Weisheit liegt zuletzt in der Anschauung.


Der bloße Begriff ist für die echte Tugend so unfruchtbar, wie für die echte Kunst.


Jede Beschränkung hingegen, sogar die geistige, ist unserm Glücke förderlich. Denn je weniger Erregung des Willens, desto weniger Leiden: und wir wissen, daß das Leiden das Positive, das Glück bloß negativ ist.


Wenn dieses unser Dasein der letzte Zweck der Welt wäre, so wäre es der albernste Zweck, der je gesetzt worden; möchten nun wir selbst, oder ein anderer ihn gesetzt haben.


Nur wenn man allein ist, ist man frei: Zwang ist der unzertrennliche Gefährte jeder Gesellschaft, und jede fordert Opfer, die umso schwerer fallen, je bedeutender die eigene Individualität ist.


Der Schlaf borgt vom Tode zur Aufrechterhaltung des Lebens. Oder: er ist der einstweilige Zins des Todes, welcher selbst die Kapitalabzahlung ist. Diese wird um so später eingefordert, je reichlichere Zinsen und je regelmäßiger sie gezahlt werden.


Borniert und lächerlich ist es, nicht darauf sehn zu wollen, wessen Sohn einer ist.


Sind wir doch nach etwas ausgestandener Angst stets merklich heiter.


Dies ist keine vollständige liste der zitate von Arthur-Schopenhauer. Zitate anderer autoren sind ebenfalls verfügbar.