Gottlieb Moritz Saphir

Anmut ohne Schönheit ist ein Magnet, der heimlich, aber fest zieht, ein Glanz, der nicht blendet, aber wohltut, ein Zauber, der nicht überrascht, aber beseligt.


Alle großen Herren, die einem sonst nichts in die Hand drücken, drücken sie selbst, um ihre Leere nicht fühlbar werden zu lassen.


Alle Menschen wären bescheiden, wenn sie in ihrem Leben nur ein einziges Mal gestorben wären. Dann würden sie sehen, wie leicht die Welt ohne sie besteht.


Das Herz der Männer ist wie ein Keller; im Frühling und im Sommer ist es kalt darin, im Herbst lau.


Das Narrenhaus ist ein Haus des Glücks; denn es ist schon ein Glück, daß man den Narren ein Haus baut. Den klugen Leuten baut kein Mensch eins.


Das weibliche Herz soll sein wie eine Auster, es soll sich nur einmal aufschließen, um den Tau der Liebe in sich aufzunehmen und ihn als Perle ein Leben lang in sich tragen. Wiederum soll es nicht sein wie eine Auster, es soll keine harte Schale haben.


Das weibliche Herz soll sein wie eine Schwalbe, so häuslich, so heimisch. wiederum soll es nicht so sein wie eine Schwalbe, es soll nicht entfliehn, wenn der Herbst naht.


Der Mensch ist wie ein Lachs, er geht gern dem Lichte nach. Was machen die Fischer? Sie halten dem Lachs ein Licht hin, und er geht ihnen ins Netz.


Der Mensch kommt aus dem Staub, kämpft siebzig Jahre gegen den Staub und macht sich endlich aus dem Staub, um sich selbst zu Staub zu machen.


Der Mensch lernt oft fremde Sprachen, nur seine eigene nicht. Er studiert auch eifrig fremde Menschen, doch seinen eigenen inneren Menschen lernt er niemals kennen.


Der Unterschied zwischen einem Doktor der Medizin und einem der Rechtswissenschaft: Je mehr Advokaten, desto länger der Prozeß, je mehr Ärzte, desto kürzer der Prozeß. Die Advokaten schicken ihre Patienten von einem Gericht zum andern, die Ärzte schicken sie vors jüngste Gericht.


Die erste Liebe ist wie der erste Schnee; er bleibt gewöhnlich nicht lange liegen.


Die Jugend ist das Paradies, und nur in ihr blüht der Baum des Lebens, und nur in diesem Paradies hört man die Stimme Gottes durch die Welt gehen, und man hört, was die Vögel sprechen, was die Blumen erzählen, was die Bäume lispeln und die Bäche plaudern. Das spätere Leben ist nichts als der Auszug aus dem »Verlorenen Paradies«.


Die Kunst der Hausbesitzer? Angewandte Miethologie!


Die Liebe ist bei den Frauen eine Himmelsleiter, bei den Männern ist sie zuerst eine Sturmleiter hinauf, dann die Feuerleiter, auf der man sich in Sicherheit bringt.


Die Liebe ist für viele Frauen ein Rausch, sie sehen doppelt. Auch wenn sie schon einen im Herzen haben, haben sie noch einen im Auge, und ein dritter liegt ihnen im Magen.


Die Liebe ist wie eine Brennessel; der Mann faßt sie hart an, und sie verletzt ihn nicht. Die Frauen erfassen sie zaghaft, und sie fühlen das brennende Gift.


Die Liebeskraft hat eine mächtige Feindin in der Geisteskraft und eine mächtige Gönnerin in der Einbildungskraft.


Die Männer verschließen ihr Herz nur deshalb, damit niemand sieht, daß nichts drin ist.


Die Nächstenliebe dehnt sich neuerdings auch übers Meer aus. Frankreich bringt Algier den Schutz, den Algier nicht braucht, und nimmt Marokko den Schirm, den Marokko braucht.


Die Narren reden die Wahrheit; ein kluger Mensch wird nicht so ein Narr sein, und die Wahrheit reden.


Die Wohnungen sind so teuer geworden, daß das kleinste Herz noch ein Zimmer mit separatem Eingang vermietet.


Diogenes trug nicht nur eine Laterne, mit der er Menschen suchte, sondern, für den Fall, daß er Menschen finden sollte, trug er auch noch einen Knüppel.


Ein gute Gesellschaft muß wie ein gutes Fernrohr zusammengesetzt sein, aus flachen und erhabenen Gläsern. Die meisten jetzigen Gesellschaften sind bloß aus vollen Gläsern zusammengesetzt.


Ein Mann liebt in der Liebe vor allem, daß er geliebt wird. Darum sind die Männer noch eifersüchtig, wenn sie längst aufgehört haben zu lieben.


Es gibt nur eine glückliche Liebe: Wenn man den Gegenstand seiner Liebe zu seinem Glücke nicht kriegt!


Frühling, hinkender Bote des Winters, ich hasse dich! Was bist du anderes als ein Winter ohne Ball, ein Winter ohne Tanz! Wollt ihr Schnee? Der Frühling bringt ihn. Wollt ihr Eis? Der Frühling bringt es. Wollt ihr Husten, Schnupfen, Rheuma, Migräne, Gliederreißen, Frostbeulen? Das alles bringt der Frühling.


Glück und Unglück wandern miteinander. Im Unglück wird der Mensch erprobt, im Glück der Unmensch.


Hoffnung ist der Deckmantel aller Faulheit, die Ausrede des Müßiggängers. Hoffnung ist der Vorwand, die Hände in den Schoß zu legen und seine Sache von der Vorsehung besorgen zu lassen.


In der Jugend liebt der Mensch mehr, im Alter haßt er mehr. In der Morgensonne erscheinen ihm die moralischen Schatten der Menschen klein und kurz. In der Abendsonne sieht er sie lang und groß, weil eine untergehende Sonne ihr Licht schief und einseitig auf die Menschen fallen läßt.


In der Liebe heißt’s immer riskieren. Das Herz, das man gewinnt, ist selten den Verstand wert, den man verliert.


In jedem Menschen stecken alle anderen Menschen.


In jeder Mythologie sind drei Viertel Geschichte und in jeder Geschichte sind sieben Achtel Mythologie.


Inwiefern sind Minister und Pantoffeln sich oft so gleich? Man gewinnt beide oft erst dann lieb, wenn sie abgetreten sind.


Jede Gesellschaft ist nichts anderes als ein großes Picknick aus Notlügen. Eine der Lügen heißt: Jeder Mensch hat sein Schicksal. Das ist nicht wahr; die Gesellschaft ist ihr Schicksal!


Jeder Mensch hat Druckfehler und Schreibfehler. Gegen seine Schreibfehler sei man in Gottes Namen so streng, wie man will. Aber die Druckfehler, die ihm der Druck des Schicksals beigebracht hat, gegen diese Druckfehler sei man nachsichtig.


Manche jungen Männer sind Liebhaber, nicht, weil sie die Liebe haben, sondern weil sie das Haben lieben. Sie betrachten das Herz des Mädchens als Durchgangskammer zur Kasse des Vaters.


Mit vierzig Jahren wird der Mensch gescheit. Die anderen dreißig Jahre, die er gescheit ist, ärgert er sich darüber, nicht früher gescheit geworden zu sein. Dabei sollte er froh sein, daß er erst mit vierzig gescheit wurde. Wäre er es mit zwanzig geworden, würde er mit fünfzig sterben; denn länger als dreißig Jahre hält‘s kein gescheiter Mensch auf der Welt aus.


Nicht das ist das Unglück, daß Liebe blind macht, sondern daß die Ehe ein Augenarzt ist, der ihr den Star sticht.


Nur wenn ein Mensch beide Augen zudrückt, drücken wir ein Auge für ihn zu. Nur wenn er nichts mehr hören kann, reden wir Gutes von ihm.


Ohne zwei Dinge kann man in der Gesellschaft nicht leben: Ohne schöne Redensarten und ohne schöne Frauen


Schwarze Augen wollen geliebt werden, blonde Augen wollen lieben.


Über die Wahrheit, Tugend, Dankbarkeit, die geschriebenen Gesetze und die stärksten Gesetzesfolgen sich stellend, wirft die Liebe ihre Gunst dem erstbesten, dem erhabensten wie dem niedrigsten Geschöpf in die Arme.


Um Menschen kennenzulernen, muß man mit ihnen umgehen; aber sie zu achten, muß man sie meiden.


Viele Menschen sind besser als ihr Ruf, weil ihr Ruf schlechter ist als sie.


Warum fallen den Männern die Haare früher aus als den Frauen? Weil sie sich mehr den Kopf kratzen müssen.


“Weiber, Glück und Gold, sind dem Narren hold!” heißt es. Also kann es doch nichts Klügeres geben, als ein Narr zu sein.


Wenn der Mensch in einem gewissen Alter alle seine Liebesbriefe lesen würde, bliebe es ihm unbegreiflich, wie in ein Wesen von fünf Fuß Höhe eine ganze Bibliothek von Dummheiten geraten konnte.


Wer aus vollem Herzen Liebe schwört, denkt oft nur an sein Portemonnaie.


Wer nach einer glücklichen oder unglücklichen Liebe ein Narr ist, der ist keiner geworden, der ist einer geblieben, mit erhöhtem Charakter.


Wer unter Menschen nur einen Engel sucht, der findet kaum Menschen. Wer aber unter Menschen nur Menschen sucht, der findet gewiß einen Engel.


Wir haben Mutterwitz und nicht Vaterwitz; denn daß der Vater schweigen muß, wenn die Mutter spricht, das eben ist Mutterwitz.


Worte sind wie die Kleider der Gedanken; wenige Schriftsteller aber wissen ihre Gedanken zu kleiden.


Zeitgeist! Unter allen Verbindungen und Ehen, welche die deutsche Sprache gestiftet hat, ist keine so unpassend und unglücklich ausgefallen wie die Vermählung der Zeit mit dem Geist.


Zu Michaeli und Georgi steigen die Hausbesitzer bis ins letzte Stockwerk empor, um die Miete zu kassieren. Dann kommen sie dem Wunsch der Hausbewohner nach und gehen mit der Miete herunter.


Zum Lieben gehören zwei. Er muß lieben, sie muß haben. Wenn sein Lieben Gegenhaben findet, findet ihr Haben Gegenliebe.


Wenn du in der Gunst des Publikums steigst, so denke an Eulenspiegel und weine; denn sei versichert, du wirst wieder heruntersteigen.


Ein Mädchenherz ist wie ein Teekessel; soll er zum erstenmal heiß werden und sieden, muß es eine große Flamme sein. Wenn es einmal gekocht hat, kocht es auch bei kleiner Flamme weiter.


Warum sagt man eigentlich dankbar ? Weil der Mensch gewöhnlich keinen Dank bar ausdrückt.


Die ganze deutsche Philosophie beruht auf Sitzen. Hegel sagt, daß Ich setzt sich, Schelling sagt, das Nichtich setzt sich. Gesetzt den Fall, das Ich setzt sich und das Nichtich setzt sich nicht, so bleibt der Mensch zwischen zwei Gedankenstühlen sitzen.


Viele Rezensenten und Journalisten sind wie Kakadus: Sie ziehen die Klauen ein, wenn sie gefüttert werden, und drücken ein Auge zu, wenn sie zu trinken bekommen.


Der heutige Weg zur Ehe ist eine einzige Beutelschneiderei. Zuerst führt der Strickbeutel mit dem Tabaksbeutel ein Vorpostengefecht, dann kommt der Geldbeutel und schneidet dem Herzbeutel den Rückzug ab.


Mit der Wahrheit kommt man weit, sagt das Sprichwort. Ja, weil man überall fortgeschickt wird.


Eine Frau, die heiratet, nimmt den Namen ihres Mannes an, so wie der General den Namen der Festung, die er eroberte.


Der Mensch kann dem Menschen und der Sonne nur wenn sie untergehn und von ihm scheiden, freundlich und offen ihm in’s Antlitz schauen und nachsehen; am Tage, und wenn sie bei ihm weilen, sieht man in beiden nur die Flecken.


Jedes Frauenzimmer ist um einen halben Grad feiner als ihr Stand, und jeder Mann um einen halben Grad roher.


Mädchenliebe ist das ganz kurze Namensgedächtnis eines weiblichen Herzens.


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