Matthias Claudius

Der Mensch Empfangen und genähret Vom Weibe wunderbar, Kömmt er. sieht und höret Und nimmt des Trugs nicht wahr; Gelüstet und begehret, Und bringt sein Tränlein dar; Verachtet und verehret, Hat Freude und Gefahr; Glaubt, zweifelt, wähnt und lehret, Hält nichts und alles wahr; Erbauet und zerstöret Und quält sich immerdar; Schläft, wachet, wächst und zehret, Trägt braun und graues Haar. Und alles dieses währet, Wenns hoch kömmt, achtzig Jahr. Dann legt er sich zu seinen Vätern nieder, Und kömmt nimmer wieder


Niemand ist weise vom Mutterleib an; Zeit und Erfahrung lehren hier und fegen die Tenne.


In uns ist zweierlei Natur, Doch ein Gesetz für beide: Es geht durch Tod und Leiden nur Der Weg zur wahren Freude.


Demut ist der Grundstein des Guten… Mit jenem Sinn im Herzen kann der Mensch ein gutes Gewissen haben und ruhig abwarten, daß ihm vom Himmel gegeben werde, was sich der Mensch nicht nehmen kann.


Den leeren Schlauch bläst der Wind auf, den leeren Kopf der Dünkel.


Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit, und alle Welt vergehet mit ihrer Herrlichkeit. Es ist nur Einer ewig und an allen Enden und wir in seinen Händen.


Der Tod steht schon am Orte, Wo sich ein Leben regt. Der Tod steht an der Pforte, Wo man zu Grabe trägt. Er geht im Leidgefolge Ungesehen mit, Wie er dabei gewesen Im Leben Schritt für Schritt. Zum König wie zum Bettler Sagt er sein letztes Du Und schließt mit stummen Händen Die dunkle Pforte zu. Und geht mit uns nachhause Und ißt das Abendbrot Und schweigt und weiß doch alles, Der Herr der Welt, der Tod.


Die Liebe hemmet nichts; Sie kennt nicht Tür noch Riegel Und drängt durch alles sich: Sie ist ohn’ Anbeginn, Schlug ewig ihre Flügel Und schlägt sie ewiglich.


Die Welt ist ein Schauplatz, du kommst, siehst und gehst vorüber.


Es ist ein großer Gewinn, alles, was man tut, wie vor dem Katheder des Todes und unter seinen Augen zu tun.


Es legte Adam sich im Paradiese schlafen; da ward aus ihm das Weib geschaffen. Du armer Vater Adam, du! Dein erster Schlaf war deine letzte Ruh’!


Niemand ist frei, der nicht über sich selbst Herr ist.


Sage nicht alles, was du weißt, aber wisse immer, was du sagst.


Selig ist der Mensch, der mit sich selbst in Frieden lebt. Es gibt auf Erden kein größeres Glück.


Sitze nicht, wo die Spötter sitzen, denn sie sind die elendsten unter allen Kreaturen. Nicht die frömmelnden, aber die frommen Menschen achte und gehe ihnen nach.


Wir bleiben nicht ewig unter den Sternen, und unser Erdenleben ist nur eine kleine Strecke auf der Bahn unserer Existenz.


Wolle nicht immer großmütig sein; aber gerecht sei immer.


Greif nicht leicht in ein Wespennest, doch wenn du greifst, so stehe fest.


Halte dich zu gut, Böses zu tun.


Die Freiheit besteht darin, daß man alles tun kann, was einem anderen nicht schadet.


Der Tod und das Mädchen Das Mädchen: Vorüber! Ach, vorüber! Geh, wilder Knochenmann! Ich bin noch jung, geh Lieber! Und rühr mich nicht an. Der Tod: Gib deine Hand, du schön und zart Gebild! Bin Freund, und komme nicht, zu strafen. Sei guten Muts! Ich bin nicht wild, Sollst sanft in meinen Armen schlafen!


Du mußt deinen Freund mit allem, was an ihm ist, in deinen Arm und deinen Schutz nehmen.


Mache nicht schnell jemand zu Deinem Freund, ist er’s aber einmal, so muß er’s mit allen seinen Fehlern sein.


Es gibt Freundschaften, die im Himmel beschlossen sind und auf Erden vollzogen werden.


Tue das Gute vor Dich hin und bekümmere dich nicht, was daraus werden wird.


Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, lieber Sohn, sondern wir müssen uns nach ihr richten.


Der Mensch ist für eine freie Existenz gemacht, und sein innerstes Wesen sehnt sich nach dem Vollkommenen, Ewigen und Unendlichen als seinem Ursprung und Ziel.


Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön! So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn.


Dann saget unterm Himmelszelt mein Herz mir in der Brust: Es gibt was Besser’s in der Welt als all ihr Schmerz und Lust. Ich werf mich auf mein Lager hin und liege lange wach. Ich suche es mit meinem Sinn und sehne mich danach.


Sei gewiß, daß nichts dein Eigentum sei, was du nicht inwendig hast.


Sorge für deinen Leib, doch nicht so, als wenn er deine Seele wäre.


Werde niemand nichts schuldig; doch sei zuvorkommend, als ob alle deine Gläubiger wären!


Was nah ist und was ferne, Von Gott kommt alles her, Der Strohhalm und die Sterne, Das Sandkorn und das Meer. Von ihm sind Büsch und Blätter Und Korn und Obst, von ihm Das schöne Frühlingswetter Und Schnee und Ungestüm.


Betrogene Liebe ist wie Menschenblut; sie schreit aufwärts nach Rache.


Und all das Geld und all das Gut gewährt zwar schöne Sachen, Gesundheit, Schlaf und guten Mut kann’s aber doch nicht machen.


Er läßt die Sonn aufgehen, Er stellt des Mondes Lauf; Er läßt die Winde wehen Und tut die Wolken auf.


Wenn Christus sagt: “Friede sei mit euch!” – so haben wir unser ganzes Leben zu tun und werden es wohl im Himmel erst verstehen lernen, was das einzige Wort “Frieden” in seinem Munde heißt.


Es ist nichts groß, was nicht gut ist; und es nichts wahr, was nicht bestehet.


Ich habe dich geliebet und ich will dich lieben, So lang’ Du goldner Engel bist; In diesem wüsten Lande hier und drüben Im Lande, wo es besser ist.


Lebt wohl. Und wißt, daß alles Quark ist – außer einem fröhlichen Herzen, das seiner bei aller Gelegenheit mächtig ist.


Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, das die Gelehrten einbrocken; sondern ihn hungert noch nach etwas Besserm, nach einem Wort, das durch den Mund Gottes geht.


Beurteile einen Menschen lieber nach seinen Handlungen als nach seinen Worten; denn viele handeln schlecht und sprechen vortrefflich.


Etwas Gutes muß der Mensch haben, daran er zu Anker liege, etwas, das nicht von ihm abhänge, sondern wovon er abhängt.


Wollst endlich sonder grämen, Aus dieser Welt uns nehmen, Durch einen sanften Tod! Und, wenn du uns genommen, Laß uns in den Himmel kommen, Du unser Herr und unser Gott!


Das Geld eines Geizigen ist wie eine untergehende Sonne: kein Mensch hat gut davon.


Herr, laß mich zu dir finden im Gebet, daß ich mein Leben in der Tiefe schaue und meinen Teil zu deinem Tempel baue, der unvergänglich steht.


Kriegslied ‘s ist Krieg! ‘s ist Krieg! O Gottes Engel wehre, und rede du darein! ‘s ist Krieg – und ich begehre nicht schuld daran zu sein. Was sollt’ ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen und blutig, bleich und blaß, die Geister der Erschlagnen zu mir kämen und vor mir weinten – was? Wenn wackre Männer sich die Ehre suchten, verstümmelt und halb tot im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten in ihrer Todesnot? Wenn tausend Väter, Mütter, Bräute, so glücklich vor dem Krieg, nun alle elend, alle arme Leute, wehklagten über mich? Wenn Hunger, böse Seuch’ und ihre Nöten Freund, Freund und Feind ins Grab versammelten und mir zu Ehren krähten von einer Leich herab? Was hülf’ mir Kron und Land und Gold und Ehre? Die könnten mich nicht freu’n! ‘s ist leider Krieg – und ich begehre nicht schuld daran zu sein.


Die sich von Herzen lieb haben, verstehen einander durch stumme Gebärde.


Was du sehen kannst, das siehe, und brauche deine Augen, und über das Unsichtbare und Ewige halte dich an Gottes Wort.


Wer nicht an Christus glauben will, der muß sehen, wie er ohne ihn raten kann. Ich und Du können das nicht. Wir brauchen jemand, der uns hebe und halte, weil wir leben, und die Hand unter den Kopf lege, wenn wir sterben sollen.


Der Tod ist gewiß, die Stunde ungewiß. Mors certa, hora incerta.


Die Sterne Ich sehe oft um Mitternacht, wenn ich mein Werk getan und niemand mehr im Hause wacht, die Stern’ am Himmel an. Sie gehn da, hin und her zerstreut, als Lämmer auf der Flur; in Rudeln auch und aufgereiht wie Perlen an der Schnur; und funkeln alle weit und breit, und funkeln rein und schön; ich seh die große Herrlichkeit und kann mich satt nicht sehn, dann saget unterm Himmelszelt mein Herz mir in der Brust: “Es gibt was Bess’res in der Welt, als all ihr Schmerz und Lust.” Ich werf mich auf mein Lager hin und liege lange wach und suche es in meinem Sinn und sehne mich darnach.


Gottes Wege sind dunkel, aber das Dunkel liegt nur in unseren Augen, nicht auf Gottes Wegen.


Es gibt ‘was Bessres in der Welt als all ihr Schmerz und Lust.


Was mit wenigem abgetan werden kann, muß nicht mit vielem getan werden.


Der Adel besteht in der Stärke des Leibes bei Pferden, bei Menschen in guter Denkart.


Ich danke dir wohl, mein Glück in diesem Leben. Ich war wohl klug, daß ich dich fand; Doch ich fand nicht. Gott hat dich mir gegeben.


Aus nichts wird nichts, das merke wohl, wenn aus dir was werden soll.


Der verschwundene Stern Es stand ein Sternlein am Himmel, Ein Sternlein guter Art; Das thät so lieblich scheinen, So lieblich und so zart. Ich wußte seine Stelle Am Himmel, wo es stand; Trat Abends vor die Schwelle Und suchte bis ich’s fand. Und blieb dann lange stehen, Hat große Freud in mir; Das Sternlein anzusehen, Und dankte Gott dafür. Das Sternlein ist verschwunden, Ich suche hin und her; Wo ich es sonst gefunden, Und find es nun nicht mehr.


Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt, und hofft auf ihn.


Merk auf die Stimme tief in dir: Sie ist des Menschen Kleinod hier.


Es ist überall gut wohnen, soweit sich Gottes schöner Himmel wölbt, und wo ein frohes Herz im Busen schlägt, da ist des Erdbewohners Eden.


Die Mutter bei der Wiege Schlaf, süßer Knabe, süß und mild! Du deines Vaters Ebenbild! Das bist du; zwar dein Vater spricht, Du habest seine Nase nicht. Nur eben itzo war er hier Und sah dir ins Gesicht, Und sprach: »Viel hat er zwar von mir, Doch meine Nase nicht.« Mich dünkt es selbst, sie ist zu klein, Doch muß es seine Nase sein; Denn wenn’s nicht seine Nase wär, Wo hättest du denn die Nase her? Schlaf, Knabe, was dein Vater spricht, Spricht er wohl nur im Scherz; Hab immer seine Nase nicht, Und habe nur sein Herz!


Bekränzt mit Laub den lieben, vollen Becher! Und trinkt ihn fröhlich leer!


Ach, es ist so dunkel in des Todes Kammer Tönt so traurig, wenn er sich bewegt Und nun aufhebt seinen schweren Hammer Und die Stunde schlägt.


Wir sind nicht umsonst in diese Welt gesetzt. Wir sollen hier reif für eine andere werden.


Man kann nicht bergauf kommen, ohne bergan zu gehen. Und obwohl Steigen beschwerlich ist, so kommt man doch dem Gipfel immer näher, und mit jedem Schritt wird die Aussicht umher freier und schöner! Und oben ist oben!


Kinder sind wahre Affen.


Der Mensch hat einen Geist in sich, den diese Welt nicht befriedigt.


Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht nicht in unsrer Hand.


Nichts Böses thun ist gut; nichts Böses wollen ist besser.


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